Der umtriebigste Befürworter der Rahmenverträge mit der EU ist der Unternehmer und FDP-Nationalrat Simon Michel. Schon bei leiser Kritik am Rahmenabkommen scheint er nervös zu werden. Als er in der «NZZ» las, wie alt Bundesrat, Unternehmer und Ex-Präsident von Swissmem Johann Schneider-Ammann das Rahmenabkommen zerlegte, tippte Michel gleich auf LinkedIn: «Wer JSA kennt, weiss, dass er a) nicht so denkt und b) aus gesundheitlichen Gründen gar nicht mehr so schreiben kann.» Eine happige Unterstellung an die Adresse des alt Bundesrats und der «NZZ». Die «Aargauer Zeitung» ging der Sache nach: Schneider-Ammann hat selbst zur Feder gegriffen.
Eine Entschuldigung klingt anders
Obwohl Simon Michel seinen Post entfernt hat und sich mit Schneider-Ammann austauschen will, klingt eine Entschuldigung anders. Denn wie die «Weltwoche» schreibt, teilt er in einer Mail-Antwort weiterhin hemmungslos gegen EU-kritische Wirtschaftsvertreter aus: «Wissen es JSA [Johann Schneider-Ammann] und Giorgio [Behr] wirklich besser? Wie operativ sind die beiden denn noch? Wie operativ war Ammann überhaupt je einmal? Ammann exportiert nicht. Giorgio hat immer Konzerne geführt, welche global aufgestellt sind und welche die Produkte bereits vor vielen Jahren in der EU zugelassen haben und regulatorisch also gar keine Schweizer Unternehmen mehr sind.»
Die Frage stellt sich, ob Simon Michel in der Lage ist, die umfassenden Rahmenverträge mit der EU zu beurteilen, wenn er schon daran scheitert, öffentlich zugängliche Informationen über bekannte Unternehmer wie Johann Schneider-Ammann und Prof. Dr. Giorgio Behr einzuholen. Letzterer musste für viele seiner KMU Zulassungen in der EU beantragen.
Wenig Weitsicht
Auch weitere Vertragsbefürworter aus der Wirtschaft fallen nicht unbedingt durch Weitsicht auf. So lobt etwa Sulzer-Chefin Suzanne Thoma die Rahmenverträge als unverzichtbar. Als frühere CEO von BKW bezeichnete sie allerdings auch die Stilllegung des Atomkraftwerks Mühleberg als «unverzichtbar» – was sie nun als Fehler bezeichnet. Im Kaufrausch verleibte sie der BKW unzählige Gewerbebetriebe ein. Betriebe, die der Konzern nun abstossen muss – Motto: «Ausser Spesen nix gewesen.»
Immerhin bekennt Verwaltungsrat und Unternehmer Peter Gehler auf LinkedIn dennoch mehrfach: «Ich bin im Team Thoma.» Wer am Sinn der Rahmenverträge zweifelt, ist für ihn ein «Isolationist» und «Abschotter» – und den Beitrag von alt Bundesrat Johann Schneider Ammann bezeichnet er als «formaljuristische, kleinkarierte Nabelschau».
Kleinkariert wirkt es eher, wenn man sich hinter Auftragsstudien des Bundes und tausend Seiten langen Verträgen verschanzt – statt der EU in aller Ruhe zu erklären, weshalb eine erfolgreiche und unabhängige Schweiz auch im Interesse Brüssels sein könnte.